Die Mitte im Dorf
Der Marktplatz befindet sich traditionellerweise in der Mitte des Ortes. Um ihn herum drapieren sich die Dinge des täglichen Lebens wie Kirchen, Rathäuser, Gasthöfe, Geschäfte und eine stattliche Fläche für Handel und Gerede. Ein Platz für Angebot und Nachfrage, Unterhaltung, Konsens und bunte Abwechslung. Hier, in der Mitte von allem, spiegelte sich schon in früherer Zeit nicht selten die wirtschaftliche und lebendige Kraft einer rührigen Gemeinschaft, offensichtliche Schnittstelle für Handel, Information und Arbeit. Wir sehen hauptsächlich in der alten Welt, dass sich Siedlungen vom Kern her nach außen entwickeln und geografisch bedingt in zusammenhängender oder in lockerer Bauweise wachsen, wie die Eiche oder die Birke. Man könnte behaupten, dass ein belebtes und aktives Zentrum der Ausgangspunkt eines stimmigen und vitalen Ortes ist. Zwar ist es räumlich und produktionsbedingt für Landwirtschaft, Industrie und andere Unternehmen nicht möglich, sich im heutigen Zentrum zu behaupten. Dennoch finden ihre Produkte, Dienstleistungen und freizeitlichen Unternehmungen den Weg zur Mitte, dort wo Kirche, Gasthof und der Markt sich befinden. Eine gewachsene Struktur.
Mit der Gründung und dem Bau der Halderner Kirche durch die Heilige Irmgardis von Aspel gab es viel Arbeit zu tun. Werkstätten, Handwerker, Gastwirtschaften, Unterhaltung, Pflege und deren Organisation musste her. Es entwickelte sich etwas, dass über den persönlichen Tellerrand hinaus blicken ließ und ein Gemeinsinn gewann an Kraft.
Die traditionelle Kirmes, das Erntedankfest, die Parade des Schützenfestes, der Wochenmarkt und vieles mehr, das alles hat seinen Ort im Wohnzimmer unseres Dorfes, dem Marktplatz. Ein Platz der Unternehmungen, der Festlichkeiten und der Ankündigungen. Hier wird geschmückt, gehängt, gefegt und gelauscht – Woche für Woche, Jahr für Jahr.
Romantische Zustände und alles so einfach! Das sicherlich nicht, aber immerhin: die Utopie nährt die Hoffnung mit Energie.
Auch Haldern hat sich verändert und aus Kutschen wurden Autos und aus ,Zabel Gerd‘ eine Dienststelle in Rees mit Hauptsitz in Kleve. Aus den Schledenhorster Schwestern wurden Kliniken in Bocholt, Wesel und Emmerich und aus ,Theos Schrankenstube‘ eine Grünfläche. So freuen wir uns, dass die Kirchen immer noch im Dorf stehen, das Vereinsleben sehr aktiv und lebendig ist und dass unser Dorf seinen Einwohnern ein so umfangreiches Angebot bieten kann: vom Waffeleisen bei Schmänk bis zum Fahrrad bei Gissing und viele andere Produkte, Dienstleistungen und attraktive Freizeitangebote. Diese Vielfalt bedeutet auch heute noch Frische, Arbeit und unsere ,kleine Unabhängigkeit‘.
Das Jahr ist marmoriert mit traditionellen Festlichkeiten, persönlichen Ritualen und den Jahreszeiten. Es führt zusammen, aber auch wieder auseinander. Gesund und rosig durchblutet von Neubürgern, lieben Gästen und frischem Geist, bleibt unser Dorf in stetiger Bewegung. Und doch ist es ein verlässlicher, gemeinsamer Ausgangspunkt, der die Sicherheit bietet, auch den Blick in die Ferne zu wagen und zu genießen.
Unser Titelmotiv zeigt die Eheleute Bourgeois, Jakob Bourgeois, seinerzeit Schledenhorster Dorfschullehrer und einer der ersten Fotografen in Haldern. Er bekam mit seiner Frau Johanna geb. Schlaghecken 9 Kinder und begann mit der Chronik der Schledenhorster Schule. Seine sehr gekonnten Fotos und auch der ein oder andere Schnappschuß erfreuen noch heute unsere Archive und hinterlassen einen tiefen Einblick in das frühe Haldern. Seine fotografischen Mühen schenkten uns auch dieses wundebare Motiv einer Klasse in Schledenhorst vom Ende des 19. Jahrhunderts mit seiner Tochter Agnes als junges Mädchen.
Diese heiratete später Robert Ingenhorst. Sie waren die Eltern des Mitbegründer von „Haldern Einst und Jetzt“ Felix Ingenhorst, sowie von Hanna, Tillo, Agnes, Resi, Jupp, Hans und Gertrud Ingenhorst, deren üppige Schuhkartons noch
heute gerne durchwühlt werden, um diese fotografischen Spuren des frühen Haldern zu finden. Hanna gab uns diese doch seltene Fotografie von den beiden Kindern und der Kutsche auf dem Markt, ein Beleg für unsere vorrausgegangene Theorie.
Im vergangenen Jahr entwarfen wir die Halderner „Spielplätzchen“. Drei passende Motive aus Ingenhorsts Garten reichen wir hiermit nach. Ein Biotop für üppige, schöne und nahrhafte Vegetation, aber auch ein Ort der stetigen Gefahr für uns ungestüme Blagen, die dieses heilige Idyll zu stören versuchten. Robert, für uns hieß er Opa Ingenhorst, war relativ verständnislos für neue diagonale Wege in Frühbeeten und Fußball im Spinat. Seine Frau Agnes beobachtete dieses Spiel beim Erbsendöppen und behielt die ausgleichende Obhut mit einem entspannten Grinsen. Meine älteren Brüder schwärmten immer von Tante „Linas“ Speckpfannekuchen und für mich gabs den ersten eigenen Sprudel bei de Baey oder Koopmann. Ab und an durfte es auch mal eine Tüte „Hau mich blau“ für die Maurer von Schöttler sein, die man mich holen schickte. Das alte Haus war der Abenteuerspielplatz für viele von uns Kindern, da es nicht immer gern gesehen war dort zu toben, war es natürlich um so spannender. Als im Krieg die Zugmaschinen der Kirmesleute für die Front konfisziert wurden, baute Jupp Kortenhorn sich einen eigenen Schlepper. Er kreuzte den Motor eines Kettenkrades mit dem Laufwerk eines Traktors und später stand im Fahrzeugschein: Erbauer „Josef Kortenhorn“. Er übernahm den Schleppdienst der Schausteller nach dem Krieg und fuhr auch Hemmers mit Pik As Bude und Waffelbäckerei von Ort zu Ort. Ihnen kaufte er auch das Fahrwerk eines alten Hängers ab und baute ihn für seine Belange um. Der Hänger existiert noch heute und Paul Kortenhorn, der Sohn von Jupp, wußte auch um die damalige Brisanz zwischen seinem Vater und Opa, da Opa Kortenhorn die Aktivitäten lieber auf dem eigen Hof als im eigenständigen „Schleppdienst“ sah. Es summieren sich viele kleine Anekdoten um die frühen und aktuellen Geschehnisse in Haldern und wir nennen sie liebgewonnene Eigenschaften unseres Dorfes.
Es ist das Ziel des Gewerbevereins in Haldern zu unternehmen und über die Vielfalt des allgemeinen Treibens zu informieren. Ins Gespräch bringen und Interessen bündeln. Wir reden von kurzen Wegen, ausführlichen Angeboten und freundschaftlichen Kontakten. Wie komplex die Dinge heute sind, scheint auf den ersten Blick kaum erfassbar. Doch wenn man tiefer blickt, erweist sich dieses Geflecht als Basis eines Dorfes. Spiegeln wir diese Vielfalt im neuzeitlichen Medium des ‚world wide web‘, so ergibt sich die Möglichkeit, schnell und informativ über das aktuelle Angebot im Lindendorf zu informieren. ,Marktplatz Haldern‘, unsere eigene Online-Plattform, informiert und aktualisiert Waren, Dienstleistungs- und Veranstaltungsangebote auf einen Blick und im flinken Zugriff, sodass man bei Stichworten wie ,Waffeleisen‘, ,Autoversicherung‘ oder ,Verglasungen‘ direkt einen örtlichen Kontakt parat hat. Der ,Marktplatz Haldern‘ vernetzt aber auch Fußballspielende und Kunstinteressierte, um sich real zu verabreden. Kurzum, wir vom Gewerbeverein arbeiten stetig an Argumenten und Angeboten im Lindendorf, um den ,Marktplatz Haldern‘ lebens- und liebenswert als pulsierenden und attraktiven Ort zu befeuern. Lernen Sie kennen und teilen Sie sich mit, denn wir teilen viel mehr Gemeinsamkeiten, als man manchmal glauben mag. (Stefan Reichmann)